True Crime: Streets of LA [Xbox]

  • Titel: True Crime: Streets of LA
    Genre: Open-World/Third-Person
    Release: 09.10.2003
    Version: Dt. Version (uncut)
    Xbox Live: Nein
    Spieleranzahl: 1 Spieler
    16:9: Ja
    360 kompatibel: unbekannt


    Damals anno 2003, da begab es sich, dass die sogenannten Open-World-Spiele, wie sie durch Grand Theft Auto begründet worden waren, noch ein recht seltenes Phänomen waren. Ja, lasset euch gesagt sein, zu dieser Zeit, da war ein Wolfenstein noch ein aus 30 schlauchförmigen Levels bestehender Ego-Shooter und über Rennspiele mit Open-World-Faktor trauten sich die Gelehrten nicht einmal zu mutmaßen. Zu jener Zeit gab es den Gott und siehe da, sie nannten ihn GTA. Und die Menschen sollten keinen zweiten Gott neben GTA haben. Lange blieb das Konzept einzigartig, unerreicht - kaum ein Entwickler traute sich an die Mammutaufgabe, ein eigenes Spiel mit einer frei zugänglichen Welt zu kreieren. Wer Open World wollte, der musste GTA spielen. Und wer GTA schon kannte, der spielte trotzdem GTA. Auch ich verfiel dieser Lust nach schier endlosen Möglichkeiten in uneingeschränkten Welten - meine Lust ging gar soweit, dass ich mir Morrowind kaufte mit dem Gedanken, es sei quasi ein GTA im Mittelalter (war es übrigens nicht). So zogen die Jahre ins Land, doch irgendwann schien sich das Blatt zu wenden: Activision kündigte True Crime: Streets of LA an und es sollte so sein wie GTA ... und noch mehr: Martial-Arts-Kämpfe wurden dem Spieler versprochen, Bullet Time und eine Spielwelt, wogegen Liberty City wie ein Kuhdorf aussehen sollte. Und was bekamen wir schließlich? Ein wahrliches True Crime - ein wahres Verbrechen ...

    10 Tasten und 300 Moves – Läuft …

    Als ich True Crime: Streets of LA zum ersten Mal in die Konsole legte, wurde ich von den schier endlosen Möglichkeiten erschlagen: Es beginnt mit einem kurzen Waffentraining, dann geht es sofort raus auf die Straße. Als Cop von LA gilt es, Verbrechen zu bekämpfen. Dazu kann der Spieler in Fahrzeuge steigen, umherlaufen, seine Marke zeigen, schießen, kämpfen mit Händen und Füßen, Waffen aufheben, Gegner werfen, Präzisionsschüsse verteilen, die Sirene seines Wagens ertönen lassen, Warnschüsse abfeuern, Menschen durchsuchen, Verdächtige verhaften und diverse Trainingsstätten besuchen, um bessere Waffen, neue Fahrzeuge, neue Moves fürs Fahren und neue Kombos für den waffenlosen Kampf zu erwerben – Uff! Dabei begehen die Entwickler die erste Sünde gleich, als sie den Spieler das erste Mal auf die Sandbox-Welt loslassen: Sie haben ihm ein Zeitlimit gesetzt. Ernsthaft, ich habe nichts gegen Zeitlimits. Aber ich mag es nicht, im aller ersten Level gleich von der Uhr gejagt zu werden. Wenn ich das erste Mal in eine Spielwelt eintauche, möchte ich alles erforschen und mich mit der Steuerung vertraut machen. Aber nicht bei True Crime … dabei wäre es hier gerade nötig gewesen. Das Gamepad kann man nämlich als leicht überbelegt bezeichnen und ich habe eine gute Stunde gebraucht, um auf die Lenkung klar zu kommen. Danach ging alles aber recht gut von der Hand und es hat plötzlich Spaß gemacht, die vielen Möglichkeiten, die die Spielfigur bietet, einzusetzen. Zwar ist und bleibt die Steuerung hakelig – besonders Präzisionsschüsse gereichen oft zum Glücksspiel – und leider passierte es mir auch nach mehreren Stunden noch, dass ich aus Versehen den falschen Knopf drückte. Aber nun gut. Vielleicht bin ich auch einfach nur dumm.

    Doch von vorne: Der Spieler übernimmt die Rolle des Polizisten Nick Kang, dessen Vater vor Jahren während eines Einsatzes getötet worden ist. Nick hofft noch immer, den Mörder zu finden. Doch zu allererst tritt der Spieler einer neu gegründeten Spezialeinheit bei, um die Triaden zu bekämpfen. In zugegebenermaßen sympathischen Cutscenes wird die Story vorangetrieben, wobei hier vor allem die gut geschriebenen Dialoge und die tollen (englischen) Sprecher dafür sorgen, dass ich stets wissen wollte, wie es weitergeht. So zog ich das Spiel gnadenlos durch, biss mich auch durch unliebsame Abschnitte, denn am Ende wartete immer ein weiteres Video auf mich. Und die erzeugen wirklich eine ernsthafte Atmosphäre, die mich in ihren Bann zogen.

    400 Quadratkilometer Grafikfehler

    Die Angaben gehen etwas auseinander – einige sprechen von einer 400 Quadratmeter-großen Spielwelt, andere kommen auf über 600. Doch ganz egal, wie viel es auch ist, das LA aus True Crime ist wirklich gigantisch. In einer Mission musste ich eine Fahrtstrecke zurücklegen, die über ziemlich genau die Hälfte der Karte verlief – und ich habe geschlagene zehn Minuten (!) gebraucht, ohne Zwischenfälle. Zehn Minuten stumpfes Fahren! Wie detailgenau Los Angeles in True Crime wirklich nachgebaut worden ist, vermag ich dabei nicht zu sagen, doch eines weiß ich: Wenn die Stadt in echt wirklich so hässlich ist, muss ich da nicht unbedingt hin. Im Spiel sorgt vor allem die Grafik dafür, dass LA Augenkrebs verursacht. Dabei sind es nicht einmal die zweidimensionalen Texturen, die schlecht ausgearbeiteten Figuren oder die wenigen Details, die True Crime in die untersten Gefilde der grafischen Leistungsfähigkeit jener Konsolen-Generation katapultieren. Viel schwerer fällt für mich ins Gewicht, dass die Engine beinahe ununterbrochen fehlerhaft arbeitet, Texturen plötzlich verschwinden und das ganze Pixelgematschte dabei auch noch ruckelt wie die Hölle. Wie kann das sein? Auch die Weitsicht ist nicht das Wahre. Zwar verschwindet nicht alles, was weiter als 50 Meter entfernt ist, in grauem Nebel wie auf der PSOne, dafür aber ploppen Fahrzeuge, Fußgänger und Verkehrsschilder erst kurz vor dem Spieler auf. Gerade wenn man mit einer schnellen Karre unterwegs ist, kann man sich daher auf die eine oder andere Überraschung einstellen.

    Die offene Spielwelt dient einmal mehr bloß dazu, das Spielerlebnis zu strecken. Zwar macht es anfänglich tatsächlich Spaß, Random-Verbrechen nachzugehen, doch das vergeht rasch. Danach galt meine einzige Motivation der Story, die mich wie gesagt durch die gut gemachten Zwischensequenzen stets zum weiterzocken animiert hat. Auch LA ist in True Crime nicht nur aus technischer Sicht alles andere als ansprechend, auch vom Design her weiß hier nichts zu überzeugen. Die Entwickler schienen bloß eine Handvoll Objekte zur Verfügung gehabt zu haben, demnach sieht Hollywood wie Beverly Hills aus, der Süden der Stadt wie der Norden, die einen Suburbs wie die anderen. Und da darf man in jeder zweiten Mission stumpf durchfahren – bloß um zur nächsten richtigen Mission zu gelangen. Die Fahrzeugsteuerung ist übrigens für den Arsch. Der Spieler hat seinen Wagen fast nie unter Kontrolle und bei jeder Kurve betet man, nicht gegen eine Wand zu rasen. Die vielen umständlichen Kombos, die man zusätzlich erlernen kann, machen es nicht leichter. Doch beim Fahren offenbart sich auch die zweite große, technische Schwäche des Spiels: Der Sound. Neben der Sprachausgabe, die wirklich gelungen ist, ist das Gros der anderen Sounds in True Crime für die Tonne. Schusswaffen hören sich an wie Presslufthammer und Motorengeräusche beim Fahren sind quasi nicht vorhanden – dabei finde ich es vor allem schade, dass es keine zusätzlichen Geräusche für die Spezialmoves mit einem Fahrzeug gibt. Egal ob ich einen Gang herunterschalte, um kurzzeitig zu beschleunigen oder ob ich den Turbo aktiviere, das Motorengeräusch ändert sich Null. Schade, so hätte der Spieler wenigstens gemerkt, dass sich etwas tut. Denn wirklich schneller wird man durch solche Manöver irgendwie auch nicht.

    Nett ist’s

    Wenn man es genau nimmt, besteht True Crime: Streets of LA eigentlich aus vier Spielen, bzw. aus vier verschiedenen Gameplays. Je nach Mission muss sich der Spieler entweder frei durch die Stadt von einem Ort zum nächsten begeben (mit der Option zufällige Verbrechen zu lösen und neue Waffen und Kombos zu erwerben), prügelt sich in einem Raum mit einer festgelegten Anzahl von Gegnern, ballert sich durch einen kleinen Schlauchlevel oder schleicht sich vorbei an Wachen zu einem bestimmten Zielpunkt. Fangen wir hinten an: Das Schleichen ist ziemlich witzlos und auf das aller Nötigste beschränkt, die Schießereien sind nichts Besonderes, aber ganz nett. Naja, wie wir alle wissen, ist nett der kleine Bruder von scheiße. Der Part in der Open World verliert schnell an Reiz und wird – vor allem bei längeren Wegen – fast zur Tortur. Übrig bleiben da nur die Prügelabschnitte, die wirklich Spaß machen. Zwar kann man kaum taktisch agieren, womit die Kämpfe zu Knöpfe-drück-Orgien verkommen, doch durch die vielen verschiedenen Moves, die cool designten Gegner und die teilweise zerstörbare Umgebung lässt sich das locker verschmerzen. Das Auge isst selbstverständlich mit und in True Crime bekommt es in den Prügelabschnitten definitiv am meisten zu sehen. Auch die Animationen, die sonst eher von schlecht bis schräg reichen, können sich in diesen Abschnitten wirklich sehen lassen. Egal ob Sprungkick oder der obligatorische Schlag ins Fressbrett, es passt alles und sieht schick aus.

    Es gibt ein paar Dinge, die macht True Crime: Streets of LA wirklich gut: Zum Beispiel die Sprachauswahl. Leider ist es bis heute nicht selbstverständlich, die Sprache über das Spielmenü einstellen zu können. Meist geht das bloß umständlich über das Menü der Konsole. In True Crime aber kann man zwischen mehreren Sprachen im Menü wählen, was mir sehr entgegen kam: Zwar verfügt das Spiel bloß über die englische Sprachausgabe, doch die Menüsprache und die Untertitel lassen sich über den Menüpunkt ändern. Und nichts hasse ich mehr als deutsche Untertitel zu englischem Text. Aber selbst hier lässt sich True Crimes nicht lumpen, wäre ja auch zu schön, wenn mal was fehlerfrei funktionieren würde: Die Spracheauswahl lässt sich nämlich nicht abspeichern, weshalb sie bei jedem Neustart neu eingestellt werden muss. Neben der Sprache möchte ich dann auch noch einmal die Erzählweise der Handlung hervorheben: Die ist nämlich wirklich löblich. True Crime: Streets of LA ist eines dieser Spiele, die mit mehreren Enden daherkommen und wo sich jeder Erfolg oder Misserfolg des Spielers auf die Handlung auswirkt. Meist bedeutet das ja, dass es im Spiel eine einzige Stelle gibt, in der der Spieler vor eine Wahl gestellt wird und somit Ende A oder Ende B auslöst. Nicht aber in True Crime: Egal ob man eine Mission schafft oder nicht, es geht immer weiter. Man könnte sich quasi ständig fertig machen lassen und würde trotzdem eines der Enden zu sehen bekommen – natürlich nicht das Beste. Nun gibt es einen Grund, warum ich solche Spiele normalerweise hasse: Ich mag es einfach nicht, dass Gefühl zu haben, etwas zu verpassen, weil ich mich hier oder dort für einen bestimmten Weg festlegen muss. Und in der Regel sind solche Spiele dann ja auch zu aufwendig, um nochmal neu angegangen zu werden, nur um den anderen Entscheidungsweg zu wählen. Nicht aber in True Crime: Hier kann der Spieler getrost der Story folgen – egal ob er diese Mission gewinnt oder jene verliert - und braucht keine Angst zu haben, etwas zu verpassen. Denn jede Mission lässt sich noch einmal anwählen, jedes alternative Intro lässt sich nach Absolvieren einer Mission anschauen und jede alternative Mission – die man je nach Spielweise vielleicht übergangen hat – ist im Nachhinein anwählbar. So muss das sein! Die Story ist dann auch das, was True Crime: Streets of LA am Ende hochhält. Sie ist ernsthaft, super inszeniert und gut geschrieben. Schade, dass den Autoren da an einer Stelle das Gehirn aus dem Schädel gefallen sein muss, anders kann ich mir es nicht erklären, dass im letzten Drittel plötzlich Zombies, fliegende Feuerdrachen und ein alter Chinese, der sich teleportieren kann, auftauchen. Das kommt so plötzlich und ist wie ein Schlag in den Magen. Das passt so was von Null zu dem sonstigen Spiel und verträgt sich mit der Atmosphäre ungefähr so gut wie die Waffen-SS mit dem Judentum. Am Ende – VORSICHT SPOILER – stecken natürlich die Nordkoreaner hinter allem. Wer sonst sollte auch ein Interesse daran haben, US-Dollar zu waschen … mja.

    FAZIT

    Folgende Begebenheit des Spiels lässt sich ganz gut als Metapher für mein Fazit heranziehen: Das Menü des Spiels ist nicht bloß eine stumpfe Abfolge von Texttafeln, sondern besteht aus schick in Szene gesetzten Menüpunkten vor dem Bild der Stadt LA. Menschen tummeln sich dort, Autos bevölkern die Straßen. Doch leider sind selbst dort – im Menü! – all die Grafikfehler drin, mit denen man im Spiel belästigt wird. Unglaublich!
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