• Titel: Halo 2
    Genre: First Person Shooter
    Release: 11.11.2004
    Version: Dt. Version (uncut)
    Xbox Live: Ja
    Spieleranzahl: 1-4 Spieler, 1-16 (Systemlink, Online)
    16:9: Ja
    360 kompatibel: Ja!


    Halo 2 war ohne Zweifel das meisterwartete Spiel für die alte Xbox. Auch ich hatte seit der Ankündigung jeden Informationsfetzen in mich aufgezogen, hatte Internet und Zeitschriften nach Preview-Berichten durchforstet und mit Begeisterung das erste E3-Video geschaut – immer und immer wieder. Wenig später folgte dann das erste Multiplayer-Video, welches eindrucksvoll zeigte, wie das Schadensmodell von Ghost und Warthog funktioniert und welche neuen Waffen es gibt. Unglaublich, wie jede Bewegung des Spielers auf der Leinwand von Begeisterungsstürmen des Publikums begleitet worden war – Halo war bereits damals ein Phänomen.

    Wo sind die ganzen Sachen, die man uns versprochen hat? Ach, die sind in Halo 3!

    Doch für mich impliziert Halo 2 vor allem eines: Es ist der Inbegriff der Videospiele-Preview-Lüge und es sorgte dafür, dass ich nie wieder ein Preview gelesen habe. Dabei schien alles so fantastisch: Das erste Lebenszeichen von Halo 2 habe ich (geschätzt im Jahre 2003) in der Gamepro erlebt, wo die Entwickler ausufernd über ihre Ideen sinnierten und ein langer Bericht, verpackt als Titelstory, dem Zocker das Spiel der Spiele versprach. So weiß ich noch ganz genau, dass die Entwickler von bahnbrechenden neuen Lichteffekten schwärmten, die es ermöglichen sollten, den Schatten eines jeden Objektes im Verhältnis zu jeder Lichtquelle in Echtzeit zu berechnen und, sollte das Objekt zum Beispiel durch die Druckwelle einer Explosion bewegt werden, so sollte auch der Schatten Frame für Frame korrekt wandern. Außerdem versprach man den Spielern damals eine Masse an neuen Fahrzeugen, wie einen Truppentransporter-Warthog oder ein Quad. Und dann, Ende 2004, kam Halo 2…

    Ich erinnere mich noch gut, dass ich von der Grafik damals wirklich begeistert war. Dabei ist der Einstieg wahrlich grandios inszeniert: Abwechselnd verfolgt der Spieler via Cutscenes das Schicksal des Gebieters, einem Eliten der Allianz, der die Zerstörung des Halo-Rings zuließ und dadurch in Ungnade gefallen ist, sowie des Master Chiefs, der die Erde erreicht, als diese gerade von der Allianz angegriffen wird. Bungie zeigte hier also erstmals die Allianz „aus der Nähe“, zeigte uns das Zusammenleben der verschiedenen Spezies, wie sie miteinander kommunizieren und welchem politischen System sie folgen.

    Wenn man die Grafik nicht sehen kann…

    Angesichts des wirklich epischen Einstiegs, der auf den ersten Blick tadellosen Grafik, die vor allem durch gigantische Lichteffekte punktet und der Dramatik der Geschichte dachte ich damals, in meiner Box rotiere das vollkommenste Spiel der Welt. Design und Optik, Sound und Soundtrack, alles wirkte wie aus einem Guss. Sogar die nur mittelmäßige deutsche Synchronisation konnte daran nicht rütteln. Doch Ermüdungserscheinungen stellten sich rasch ein…und halten bis heute an.
    Dabei begann alles so gut: Auf der Erde muss der Master Chief feststellen, dass auch die Allianz den blauen Planeten entdeckt hat und angreift. Zwar läuten die Aliens mit einer verhältnismäßig kleinen Flotte zum Angriff, doch auch die reicht dank überlegener Waffen- und Schildsysteme aus, um die Menschen gehörig in Bedrängnis zu bringen. So findet sich der Master Chief schnell auf einer orbitalen Verteidigungsbasis wieder, die droht, vom Feind geentert zu werden.
    Als die Cutscenes das erste Mal ins wirkliche Spiel übergehen, stellt der Spieler mit Erstaunen fest, dass die Grafik in den Videos tatsächlich Spielgrafik ist. Halo 2 sieht wirklich gigantisch aus und ordnet sich rein grafisch definitiv in die Top 20 aller Xbox-Spiele ein. Bungie trieb den schwarzen Kasten bis an die Grenzen des Machbaren und zaubert riesige Außenlevels, schöne Lichteffekte, dreidimensionale Texturen und Details en Masse auf den Schirm. Vor allem die Aliens sind sehr anschauend gestaltet worden. Leider zahlt das Spiel einen hohen Tribut für diese Optik: Zum einen trüben Framerate-Einbrüche den Spielfluss, zum anderen scheint Halo 2 die Mutter aller Pop Ups zu sein. In keinem anderen Spiel ploppt die Grafik so dreist und häufig viel zu spät auf, was mich jedes Mal aus der an sich epischen Atmosphäre wirft. Von solchen grafischen Fehlern sind die Zwischenszenen am stärksten betroffen, wo der Spieler teils weit länger als drei Sekunden auf einfarbige Flächen starrt, ehe diese sich mit Texturen füllen. Schade!

    Nun komme ich aber zur eingangs erwähnten Preview-Lüge, ein Phänomen, welches seine dunklen Schatten bereits über so viele Videospiele geworfen hat. Was ist dem Spieler in den vergangenen Jahrzehnten nicht alles schon versprochen worden? Im Falle Halo 2 frage ich mich ganz konkret: Wo sind denn all die Fahrzeuge, die man uns versprochen hat? Wo sind die dynamischen Schatteneffekte? Wo ist die Grafik, die uns der aller erste angeblich in Spielgrafik erschienene Trailer demonstrierte? Wahrlich lieferte Bungie ein gutes Spiel ab, doch Halo 2 blieb letztlich weit hinter dem zurück, was versprochen worden war.

    Wenn der Gejagte zum Jäger wird, wird der Jäger zum Gejagten…

    Zurück zum Spiel: Im ersten Level gilt es also, die orbitale Verteidigungsbasis gegen die Allianzbrut zu schützen. Steuerung und Gameplay gehen wie gewohnt von der Hand, wobei das Spielgeschehen an sich hektischer scheint als noch im Erstling. Schon im Einzelspieler habe ich ein ums andere Mal die Übersicht verloren, im Splitscreen macht sich der Mangel aber besonders bemerkbar. Da weiß ich vor lauter bunten Flächen, Lichteffekten und Aliens teils gar nicht mehr, was gerade passiert. Und genau das ist der Knackpunkt, der Halo 2 am Ende nicht an den Vorgänger heranreichen lässt. Das Gameplay ist einfach nicht so flüssig, nicht so feinabgestimmt, nicht so perfekt wie noch im Erstling. Versteht mich nicht falsch, Halo 2 ist weit davon entfernt, ein schlechter Shooter zu sein. Es ist nur nicht (mehr) perfekt.

    Daneben führte Bungie einige neue Allianzwesen ein, darunter die Drohnen, eine Art großer Käfer. Dadurch, dass diese Viecher fliegen können und ausschließlich in Massen auftauchen, stellen sie sich wirklich als sehr fordernde Gegner heraus. Doch auch die Brutes wissen zu gefallen. Desweiteren sind viele neue Details ins Spiel integriert worden. Schieße ich nun auf den Methantank eines Grunts, so fliegt dieser mit einer netten Explosion in die Luft und die Fahrzeuge lassen sich dank tollem Schadensmodell in alle Einzelteile zerlegen. Neben solchen Neuerungen ist die wohl tiefgreifenste Änderung des Spiels, dass sich die Handlung zeitweise gänzlich der Allianz verpflichtet und man dann als Gebieter durch die Landen streift. Dem einen mag das gefallen, dem anderen nicht. Ich konnte mich durchweg mit den Abschnitten der Aliens anfreunden, auch wenn diese in meinen Augen rein vom Umfang her Überhand nehmen und ich mich beim Zocken doch hin und wieder zum Master Chief zurückwünschte. Allerdings offenbaren die Allianz-Abschnitte ein großes Problem: Dadurch, dass man die Aliens nun in ihrem Denken und Handeln vorstellt und Gründe für ihre Taten liefert, nimmt man diesem Feind gleichzeitig dieses Mysteriöse, was meine Kumpels und mich im Erstling noch zu wilden Spekulationen und Diskussionen getrieben hatte. Vorbei ist auch das Gefühl, von einem stetig überlegenen und allwissenden Feind gejagt zu werden. Dafür werden die Aliens viel zu sehr vermenschlicht und mit Fortschreiten der Handlung habe ich mehr und mehr das Gefühl, dass es sich bei meinen Feinden eher um minderkompetentes Pak denn um Meister des Krieges handelt. Dass zerstört völlig diese Atmosphäre des „Auf-der-Flucht-sein-vor-einer-Übermacht“, was dem Vorgänger noch ein so einzigartiges und tiefgehendest Spielerlebnis bereitet hatte. Dazu trägt allerdings auch die KI bei, die in Halo 2 einen klaren Rückschritt macht. Zwar interagieren die Feinde meist auf einem hohen Niveau, doch oftmals treten grobe Schnitzer auf, die es so im Erstling nicht gegeben hat. Oft genug sieht mich das Alien nicht, obwohl ich einen Meter vor ihm stehe. Andere starren gegen Wände oder schießen gegen ihre eigenen Deckungen.

    Vielleicht sollte man beim nächsten Gears of War das Kettensägen-MG streichen…?

    Daneben trüben einige Designentscheidungen den Gesamteindruck des Spiels. Die Zukunftsvisionen von Bungie, was den Planeten Erde des Jahres 2552 betrifft, gehen mir lange nicht weit genug. Gerade die Fahrzeuge und die Gebäude unterscheiden sich kaum von dem, was es heute schon gibt. Daneben haben sich die Innenräume in Bezug zum ersten Teil kaum verbessert. Noch immer latsche ich durch die immer gleichen Gänge, noch immer sind die Raumschiffe der Allianz langweilig und trist. Doch der größte Schnitzer ist wahrlich der, dass Bungie einfach mal DIE Standardwaffe aus Halo komplett aus dem Spiel gestrichen hat. So sucht man das MA5B-Sturmgewehr vergeblich. Die mickrige Maschinenpistole soll wohl der Ersatz sein, doch den Spaß, der aufkam, wenn man sich mit dem Sturmgewehr und 60 Schuss durch eine Horde Grunts mähte, können selbst zwei gleichzeitig geführte „Uzis“ nicht wett machen. Apropros: Ab Halo 2 kann der Chief beidhändig Waffen führen. Cooles Feature, vor allem sehr gut umgesetzt. Dafür haben in Halo 2 die menschlichen Granaten bei weitem nicht mehr den Bums, den sie noch im Erstling hatten. Und der Cliffhanger am Ende des Spiels ist (war) die reinste Frechheit!

    Der Multiplayer rockt natürlich. Bungie hat hier ordentlich am Umfang geschraubt und präsentiert via Splitscreen, System Link oder Online (die beiden letztgenannten selbstredend ebenfalls mit Splitscreen-Möglichkeit) einen der spaßigsten Shooter-Multiplayer der Xbox-Geschichte. Ob Deathmatch, Capture the Flag oder sonst was, viele perfekt designte Maps garantieren Langzeitspaß. Keine Frage, dass es auch der Koop-Modus wieder ins Spiel geschafft hat. Einmal mehr kann man zusammen mit einem Kumpel die Story bestreiten. Leider trifft auf sämtliche Multiplayer-Modi, die man im Splitscreen zockt, jene Unübersichtlichkeit zu, die ich bereits angeprangert habe. Allzu oft verliert man dank der bunten Farben und dem hektischen Treiben auf dem Schirm einfach den Überblick, selbst bei einem großen Fernsehgerät. Außerdem scheint mir die Balance zwischen den verschiedenen Fahrzeugen und Waffen nicht mehr ganz so ausgeglichen wie im Vorgänger. Dafür punktet Halo 2 durch mehr Geschwindigkeit sowie zerstörbare Fahrzeuge und Objekte.
    Abschließend sei zum Multiplayer gesagt, dass der Koop-Modus wegen fehlender Übersicht nicht auf Augenhöhe mit Halo 1 liegt, ansonsten ist der Multiplayer im Vergleich zum Erstling ebenbürtig.

    FAZIT

    Die Negativpunkte überwiegen zwar in meiner Beschreibung, dennoch soll dieses Review nicht darüber hinwegtäuschen, dass Halo 2 ein sehr gutes Spiel ist. Der Einzelspieler-Modus besticht durch innovative Levels wie einer Raumstation im freien Fall oder einem zweiten Halo-Ring, durch eine tolle Inszenierung und natürlich durch einen Soundtrack, der unter die Haut geht. Auch im Multiplayer sucht man innerhalb der Xbox-Ära Spiele, die mit der Halo-Reihe konkurrieren können, mit der Lupe. Halo 2 ist nicht ganz das geworden, was es hätte werden können und in meinen Augen kommt es nicht an Halo 1 heran. Aber: Es ist ein verdammt gutes Spiel!

  • Zitat


    Wo sind die ganzen Sachen, die man uns versprochen hat? Ach, die sind in Halo 3!

    Diese Überschrift sagt eigentlich alles. Wenn ich mich an die Berichte erinnere in der PC Games war der Tenor ähnlich. Allerdings war vielmehr das Problem beim PC, dass sich vom Gameplay und generell von der Grafik wenig verändert hat.
    Es ist amüsant zu lesen wer welchen Halo Teil am besten findet. siehe z.B. hier
    http://xboxoneforums.com/threads/3823-halo-2-vs-halo-1-a

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