Pro Evolution Soccer 4 [Xbox]

  • Titel: Pro Evolution Soccer 4
    Genre: Fußball
    Release: 19.11.2004
    Version: Dt. Version (uncut)
    Xbox Live: Ja
    Spieleranzahl: 1-4 Spieler (offline), 2 Spieler online
    16:9: Nein
    360 kompatibel: unbekannt


    Wenn man in den frühen Jahren dieses Jahrtausends im Besitz einer Xbox war und man auf Fußball stand, so blieb einem lange nur der Griff zu EAs FIFA-Reihe. Mit dem legendären WM-FIFA 2002 sowie dem gemütlichen FIFA 2003 war zumindest ich als Fußball-Nerd und Arcarde-Freund immer gut bedient. Doch den Profis unter den virtuellen Fußballern ging FIFA schon damals lange nicht weit genug. Zu simpel sei das Gameplay, zu sehr klebe der Ball am Spieler. Und tatsächlich waren das nicht bloß hohle Phrasen und selbst mir war damals schon aufgefallen, dass die FIFA-Spiele alles andere als realistischen Fußball simulierten. Playstation-Jünger freuten sich zu jener Zeit bereits über die Pro Evolution-Spiele, die seit Beginn der Zeitrechnung mit realistischem Gameplay glänzten. Nachdem ich dann selbst mal Hand angelegt hatte an einer Playstation 2 und einem PES, da war auch ich begeistert. Denn PES bot das, was FIFA dem Spieler lange verwehrte: Quasi unendlich verschiedene Situation statt der immer gleichen drei bis vier Möglichkeiten, ein Tor zu erzielen.

    Wenn der Meister auf die Xbox kommt…

    …dann nimmt er leider auch all seine Schwächen mit. Denn als es im Jahre 2004 endlich soweit war und Xbox-Spieler ihr eigenes Pro Evolution Soccer bekamen, da dachte Konami überhaupt nicht daran, das Spiel für die leistungsstarke Box zu optimieren. Stattdessen präsentiert sich das Spiel in einem flimmernden Brei, wie es die Playstation 2 besser nicht hätte darstellen können. Vor allem die Rasenflächen leuchten und pulsieren teils so stark, dass mir bei Zocken die Augen tränten. Einige Stadien haben es echt in sich: Wenn sich etwa der Rasen in zwei unterschiedlichen Grüntönen präsentiert, die ringförmig von der Mitte nach außen verlaufen, dann frage ich mich, was wohl die Gewerkschaft der Hypnotiseure zu diesem Spiel sagen würde. Der ganze Rest des Grafikgehacktem macht vor allem den einen Fehler, nicht hinter den strahlenden Grünflächen zu verschwinden, sondern sich schamlos zu präsentieren. So bietet PES 4 vor allem eindimensionale Texturen auf billigen Charaktermodellen. Und ich dachte, ich hatte mit Soldier of Fortune 2 den grafischen Bodensatz der Xbox bereits erreicht! Das traurige an dieser Erkenntnis ist vor allem, dass es wohl auch nach PES 4 noch schlechtere Grafiken geben wird…
    Doch wollen wir die Kirche mal im Dorf lassen, PES 4 sieht zwar scheiße aus, aber man kann es gucken. Jaja, tausend Dinge hätten besser sein können/müssen, aber es ist eben so wie es ist. Langweilige Stadien, einfarbige Pappfiguren als Fans und Spielerfrisuren, die auch Helme sein könnten, ist schließlich nicht alles!

    Wenn die guten Kommentatoren schon für FIFA sprechen…

    …dann muss PES auf zwei Typen zurückgreifen, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Nach wenigen Augenblicken im Spiel weiß ich auch, warum: Wenn diese beiden Menschen auch nur den blassesten Schimmer von Fußball hätten, dann würden sie Worte wie „Abseits“ nicht wie eine thailändische Prostituierte auf Extasy betonen, sondern wie normale Menschen sprechen. Doch das macht nichts, denn die beiden Herren labern sowieso nur Müll (und das auch noch in teils unterschiedlichen Tonqualitäten?). Da schieße ich von der Mittellinie irgendwie grob Richtung Tor des Gegners, der Kommentar folgt prompt: „Den muss er machen!“ Vor allem aber die Textbausteine, wenn der Kommentator explizit den Zwischen- bzw. Endstand zweier Mannschaften ansagt, sind grausam. Da spricht mein Navi flüssigeres Deutsch. Die Kommentatoren in FIFA waren nie das Gelbe vom Ei, doch PES unterbietet das in jeder Hinsicht. Löblich ist zwar, dass man die Sprache des Kommentars einstellen kann, doch das englische Pendant ist leider ziemlich langweilig und nicht weniger unpassend. Daneben ist die Soundkulisse von Konamis Fußballer eher überschaubar. Die Musik dümpelt mit 0815-Tracks vor sich hin, Fangesänge und Geräusche auf dem Platz sind sehr dezent bis gar nicht vorhanden. Von der Präsentation und der Atmosphäre her hat FIFA ohne Frage die dickeren Eier, schon in der 2002er-Version ließ mich der Sound glauben, ich schaue ein echtes Fußballspiel. PES 4 liegt Welten darunter.

    Der Ball rollt…und klebt nicht!

    Doch alles, was PES 4 bis zu diesem Zeitpunkt falsch gemacht hat, macht es in jenem Moment, in dem der Spieler zum ersten Mal die A-Taste drückt, um anzustoßen, wieder wett. Das Gameplay ist, vor allem im direkten Vergleich zu FIFA, schlichtweg flüssig, nahe an der Realität und sehr unterhaltsam. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, der Ball würde an meinem Spieler kleben. Das Leder gleitet flüssig zwischen den Spielern hin und her und reagiert angemessen auf jede Aktion. Vor allem gefällt mir, dass ich bei PES keine immer gleichen Situationen erlebe wie bei FIFA. An dieser Stelle braucht es keine weiteren Worte: Das Gameplay von PES 4 bockt einfach. Punkt.
    Schade, dass die Animationen der Spieler da nicht immer mithalten können. Schade finde ich an dieser Stelle aber auch, dass auch die Nachspielzeit genau wie die restliche Spielzeit im Zeitraffer abläuft, d.h. bei 5 Minuten effektiver Spielzeit beträgt die Nachspielzeit höchstens einige Sekunden. In der Regel pfeift der Schiri demnach unmittelbar nach Erreichen der 90 Minuten ab. In diesem Punkt hat FIFA wieder die Nase vorn, wo die Nachspielzeit deutlich gestreckt wird und somit spannende Augenblicke kurz vor Schluss gewährt. Schade ist auch, dass das Spiel teils abgepfiffen wird, wenn sich eine Mannschaft gerade im gegnerischen Strafraum oder kurz davor befindet.

    Die Steuerung geht insgesamt gut von der Hand und auch wenn die Tastenbelegung nicht der von FIFA gleicht, so habe ich mich schnell eingefunden. Trotzdem wäre es wünschenswert gewesen, wenn man die Steuerung individuell anpassen könnte. So muss ich leider auf X schießen, wo ich das doch lieber mit B getan hätte. Dafür macht es mir das Spiel auch nicht sonderlich schwer, ein Tor zu erzielen. Vor allem die Spieler der Abwehr stehen manchmal gerne blöd in der Gegend herum, statt aktiv am Spielgeschehen teilzunehmen. Und auch der Torwart ist in der Regel keine Leuchte.

    Neben dem Freundschaftskick bietet PES 4 viele unterschiedliche Modi, um den Spieler bei Laune zu halten. Pokale, Ligen, Training, Manager-Modus – alles dabei. Leider sind die Menüs nicht nur hässlich, sondern vor allem sehr unübersichtlich geraten, was vor allem den Einstieg in den umfangreichen Manager-Modus, in dem man u.a. Spieler einkaufen und trainieren kann und sich um die Finanzen der Mannschaft kümmern muss, erschwert.

    Von Knori und Beckenbaya

    Doch es begab sich, dass der ewig währende Zwist zwischen den Konkurrenten FIFA und PES nicht bloß auf der Ebene der Präsentation und der des Gameplays ausgefochten wurde. Seit jeher gab es ein letztes gutes Argument, dass immer schon für FIFA sprach: Die lieben Lizenzen. Die Lizenzen sind es, die zumindest in meinen Augen diesem Spiel das Genick brechen und mich am Ende doch lieber zu FIFA greifen lassen. Denn in Pro Evolution Soccer 4 sind nur einige wenige Teams lizensiert, alle anderen müssen mit Fantasienamen Vorlieb nehmen. Zwar kann ich im Editor Namen, Attribute und Aussehen eines jeden Spielers individuell anpassen und so könnte ich dann doch noch die realen Spieler ins Spiel integrieren, aber mal ehrlich: Wer macht das denn? Es würde Stunden dauern, alle Teams zu editieren. Außerdem fehlen dann noch immer die originalen Logos der Ligen und Mannschaften, die Trikots mit all den Sponsoren und die originalen Bälle. All das bietet der Konkurrent FIFA und setzt damit das I-Tüpfelchen auf seine Präsentation. Und bei PES 4 laufen für den deutsche Kader illustre Namen wie Knori oder Kalm auf… Überhaupt entbehren gerade die Namen deutscher Teams und Spieler jeder Vernunft. Welches Team mit Rekordmeister gemeint sein soll, dürfte klar sein. Dass Rhein Bayer Leverkusen sein soll, kann man gerade noch erraten. Aber wer bitte soll sich denn hinter Fohlen verbergen? Oder Nuanz? Dass die Bundesliga in PES den preußischen Adler als Logo hat, finde ich hingegen irgendwie amüsant. Trotzdem, die fehlenden Lizenzen stören mich auf jeden Fall.

    Zwar kann der Retrofan hier argumentieren, wer heute ein FIFA der alten Generation ins Laufwerk schiebt, der wird auch keine aktuellen Teams mehr vorfinden. Doch immerhin findet er noch die originalen Teams jener Zeit vor. So ist ein altes FIFA für mich auch immer wieder eine spannende Zeitreise. PES ist das nicht. Dafür weiß PES, wie man den Spieler motiviert. So warten nicht nur ein umfangreicher Multiplayer-Modus, sondern auch viele Gimmicks wie zusätzliche Mannschaften und Stadien, die über ein Punktesystem freigeschaltet werden können, auf den Spieler. Schade nur, dass auch das freispielbare Team „Germany Classic“ nur mit Fantasienamen aufwartet und ich Herrn Beckenbaya auf das Feld schicken muss.

    FAZIT

    PES 4 ist mit all seinen Schwäche und Stärken insgesamt ein gutes Fußballspiel. Der Sport selbst kommt hier sicherlich nicht zu kurz. Wer über die Schwächen hinwegsehen kann, den erwartet ein guter Fußballer, für alle anderen wird FIFA die erste Wahl bleiben. Ich mag beide Spiele…und im Multiplayer ist PES sowieso über jeden Zweifel erhaben.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!